Die zweite Staffel von Doctor Who geht in die zweite Folge. Kann das Niveau der ersten Folge gehalten werden? Achtung, dies ist ein Spoiler-Review.
Ist das noch Who oder schon Disney?
Gleich vorneweg: Ich kann jeden verstehen, der mit dieser Folge wenig anfangen kann. Bereits zu Beginn steigt nämlich eine Zeichentrickfigur aus der Kinoleinwand aus einem Cartoon, der wohl nicht von irgendwoher von Disney stammt (oder zumindest so auch bei Disney hätte laufen können in den 50ern). Und als wäre das noch nicht Meta genug, wird es auch im weiteren Verlauf der Folge Interaktionen mit der Zeichentrickfigur geben.
Da werden natürlich Erinnerungen an “Roger Rabbit” (oder “Cool World”) laut, oder, um ein ganz prominentes Beispiel zu bemühen: Den Pumuckl. Da wie dort gibt es Interaktionen von echten Menschen mit Zeichentrickfiguren (und es gibt natürlich noch weitere Beispiele). Und sowas ist nicht nur schwierig, um eine Handlung ohne Slapstick zu vermitteln, sondern auch ganz klar nicht jedermanns Sache. Während der Autor dieser Zeilen den Pumuckl auch heute noch gern schaut und sich auch von Roger Rabbit gut unterhalten fühlte, so ist er dennoch kein Fan der Vermischung dieser beider Welten. Vor allem muss man sich die Frage stellen, ob das wirklich zu Doctor Who passt? Dem hilft auch nicht eine komplette kleine Zeichentrickversion der Helden im späteren Verlauf der Folge, bei denen diese nach und nach wieder plastisch werden. Da fürchtete der Rezensent schon eine schlimme Weiterführung in Zeichentrickform.
Aber halt, werden nun manche rufen. Es gibt doch auch prominente Beispiele an Serien, wo das ganz gut geklappt hat. Fringe, zum Beispiel. Oder Supernatural. Auch da gab es Episoden fast komplett in Zeichentrickversion. Und was ist mit dem Lower Decks/Strange New Worlds-Crossover?
Nun, an der Stelle möchte ich zu bedenken geben, das all diese Episoden keine “Mixed Crossover” sind, sondern der Zeichentrickanteil jeweils einen eigenen Part der Folge einnimmt. Bei der erwähnten Crossover-Folge beginnt es im Zeichentrick und wechselt dann in die reale Form, bei den anderen genannten Serien ist es ähnlich. Ihr merkt also: ein gar nicht so unkontroverses Thema.
Doch zurück zum Doctor und der aktuellen Folge. Bei besagter Zeichentrickfigur handelt es sich, wie wir später erfahren, um den alten Gott Lux, der hier ein wenig auf den Putz haut. Und gleich mal 15 Menschen entführt… und dann fleißig weiter… Kinofilme anschaut?
Ja, da sind wir auch schon beim großen Negativ-Punkt der Folge, denn die Handlungen von Lux ergeben keinen Sinn. Wenn er nur mehr Licht haben will, warum dann die Menschen entführen? Warum dann den Kinobetreiber mit seiner Frau ködern, nur um weiter Filme schauen zu können? Ja, er will lebendig sein und zieht später dem Doctor Regenerationsenergie ab, um dieses Ziel zu erreichen, das ist also sein letztendliches Ziel. Nur bringen ihm halt die entführten Menschen und der Kinobetreiber hier absolut gar nichts, da muss dann eben der Doctor kommen.
Klar, man könnte sich jetzt schönreden, dass Lux es vorher nicht gewusst hat und einfach ein wenig rumexperimentiert auf seinem Weg. Es ist aber mehr als offensichtlich, dass es diese Elemente nur gibt, damit die Handlung funktioniert bzw. der Doctor und Belinda einen Aufhänger für ihre Ermittlungen haben. Diese Kröte muss man also schlucken (sofern man sie überhaupt bemerkt) um mit der Handlung auf irgendeine Art Spaß haben zu können.
Das Konzept der alten Götter ist übrigens keine Erfindung von New Who (oder, wie die Serie seit dem Neustart unter dem Label “Season 1” unter Ncuti Gatwa gern gennant wird: “Modern Who”), sondern geht durchaus schon auf die Zeit von Classic Who zurück, wo sie erstmals benannt werden. Und mit Sutekh natürlich beim vierten Doctor bereits einen Auftritt hatten. Ja, Sutekh ist der Obermacker aus der Staffel 1, hier wird nun weiter etabliert, dass auch Maestro und der Spielzeugmacher zu den alten Göttern gehörten, was aufgrund deren Machtfülle sicher irgendwo Sinn macht. Ob einem das jetzt gefallen muss und ob es jetzt in dieser Staffel unbedingt wieder gegen einen übermächtigen Gegner gehen muss, muss freilich jeder für sich selbst entscheiden. Aber das hängt natürlich mitunter auch davon ab, wohin es mit der Staffel noch geht.
Ab in die 50er
Unsere Helden befinden sich zu Beginn jedenfalls genau da, wo die letzte Folge geendet hat. Der Doctor kann Belinda nicht zum 24.Mai bringen. Okay, warum dann nicht einen Tag vorher oder nachher? Das sollte ja jetzt wirklich keinen Unterschied machen und so oft, wie das jetzt hier erwähnt wird, wäre es besser gewesen, das etwas zurückzufahren. Wenn der Zuschauer halt schon nachdenken kann, warum man Bel nicht am 23.Mai absetzt, dann wäre etwas weniger mehr gewesen. Aber dies dient natürlich dem großen Staffel-Mysterium, doch dazu am Ende noch mehr.
Zunächst einmal bleibt Belinda ihrem Kurs treu: Eigentlich will sie nach Hause, macht aus der Not aber eine Tugend und geht dann mit in die 50er. Auch hier will sie dann eigentlich gleich wieder zurück, als der Doctor seinen Anker aufgeladen hat und lässt sich nur widerwillig zum Besuch breitschlagen. Oder zumindest fast widerwillig. Aber worauf ich hinaus will: Bel wächst nur langsam in ihre Rolle als Companion hinein und wirkt dadurch umso menschlicher und greifbarer. Ich habe es bereits bei Folge 1 erwähnt und auch hier wird es mehr als deutlich: So geht das Einführen neuer Charaktere, die auch ein emotionales Gewicht beim Zuschauer hinterlassen. Belinda dürfte damit sicher auch künftig einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Was die 50er betrifft, so ist man sich nicht zu schade, den Rassismus-Punkt kurz anzusprechen. Denn die beiden schwarzhäutigen Helden haben nicht nur in der Bar Probleme, auch später im Kino gibt es eine kurze Sequenz, in der darauf hingewiesen wird, dass Schwarze hier verboten sind. Okay, das kratzt nur an der Oberfläche und wird schnell weggewischt, aber es wurde immerhin erwähnt, was man in Doctor Who auch nicht alle Tage sieht.
Die eigentliche Handlung spielt sich dann in einem Kino ab, dass stilecht der damaligen Zeit nachempfunden ist. Wer mal in einem Retrokino war (gibt es inzwischen nur noch selten, aber bei uns gab es bis Anfang der 2000er noch eines), der wird sich hier durchaus heimisch fühlen – inklusive der Popcornbehälter (gibts für 4.99 bei Amazon hüstel). Musste bei dem verstreuten Popcorn noch irgendwer an die Minecraft-Vibes durch den Chicken-Trend denken? Okay, zum Drehzeitpunkt der Folge konnte das natürlich noch keiner ahnen…
Insgesamt überzeugt also auch das Setting und die Flucht in die Polaroid-Rollen ist eine durchaus pfiffige Idee. Von der Zeichentrickversion der Helden redeten wir ja bereits. Auch sonst müssen sie am Film reißen oder ihn einfach abfackeln, durch Klappen rutschen – es waren ja schon immer diese kleinen Verrücktheiten, die Doctor Who auszeichneten und dosiert eingesetzt machen sie durchaus Spaß. Jedenfalls bringt man so neue, verrückte Ideen an den Mann und nicht mit einer pupsenden Raumstation…
So gut das Setting hier aber auch umgesetzt ist, da war doch noch das “Problem” mit dem Zeichentrickmännchen…
Zurück auf die Metaebene
Bevor wir uns aber erneut Lux widmen, und uns darüber streiten, ob die Frau des Kinobetreibers aus Polaroid wirklich echt ist (Spoiler: nein, so tiefgehend wird die Folge nicht), müssen wir natürlich die beste Szene der Folge erwähnen. Und die ist, wie könnte es anders sein, der Sprung zu den Fans.
Dass die Abenteuer des Doctors nur erfunden sind und wir ihnen zusehen, ist ein derart guter Kniff, der für mich viele Schwachstellen der Episode vergessen macht – und das nicht nur, weil mein DVD-Regal mal so ähnlich aussah, wie das in der Folge. Da sind nämlich nahezu sämtliche Doctor Who-Boxen im Hintergrund zu sehen in ihrem unverwechselbaren Design, herrlich. Und dann eben die Fans, die den Doctor nur als Fernsehserie schauen, wobei das dann wieder gedreht wird und gesagt wird, es sind die Fans, die sich auflösen – nur um dann am Ende der Folge nochmal zu drehen und sie doch weiter “existent” sein zu lassen. (Dabei hatte ich schon gejubelt, dass es mal KEINE Vorschau auf die nächste Folge gibt, um dann von dem Schwenk ins Wohnzimmer überrascht zu werden). Einfach herrlich, selten so gut amüsiert.
Aber nun wie versprochen zurück zu Lux, der ja noch irgendwie abgefrühstückt werden muss. Vor allem, da er sich gerade das Leben des Doctors klauen will. Übrigens auch das keine “neue” Erfindung, das will der Master schon seit Classic Who-Zeiten ebenfalls. Hier wird Lux dann einfach überbelichtet und ja, die Szene, als er quasi über die Erde hinauswächst und ins All davon fliegt, hatte schon irgendwie was. Er ist quasi im Licht aufgegangen, fast schon biblisch, wie Belinda bemerkt. Okay, man kann nun sicher fragen, warum der Energieentzug des Doktors genauso lange gedauert hat, wie das Drehbuch erfordert und ob man nicht hätte abfackeln können, ohne dass der Kinobetreiber mittendrin ist, aber das ist auch in anderen Serien so.
Am Ende darf für uns Zuschauer nochmal Mrs. Flood auftreten, die natürlich gleich wie in der Gegenwart aussieht. Auch sie ist quasi nochmal auf der Metaebene aktiv und betitelt Doctor Who als Fernsehserie. Die Erwähnung des 24.Mai ist jetzt allerdings kein Zufall mehr. Das ist nicht nur der Termin, an dem das Staffelfinale über die Bildschirme flimmern wird, sondern auch in gewisser Weise mit Belinda verbunden. Mal sehen, ob der Arc um Mrs Flood diesmal schon aufgelöst wird.